Superbia
Der Stolz
Ich bin die Hoffart. Ich bin die stolze Wurzel allen Übels.
Ich bin Superbia, die erste im Kanon der sieben Todsünden. Ich stehe stets an erster Stelle.
Aus mir wächst der Baum des Lasters, dessen sündige Früchte meine sechs Töchter sind: Völlerei — Trägheit — Geiz — Zorn — Neid — Wollust.
Aber sehen Sie doch selbst, wie Luciphera Superbia, deren Karosse von den sechs Untersünden gezogen wird, im Triumphzug mit großem Gefolge und der Dienerin Blasphemia zu ihrer Hochzeit mit der Welt fährt.
Prolog, gesprochen von lrm Hermann
Bettlerfürstin | Delphine Seyrig |
Bankdirektorin | Irm Hermann |
chinesische Drachenprinzessin | Else Nabu |
Generalin | Renate Schlesier |
General | Ting-lLi |
Samurai | Hisao Saito |
Industrieller | Margie Ellgaard |
Luciphera Superbia | Gabriele Heidecker |
und | Wolfgang Petrick, Herbert Levine, Eva Meyer, Maria Rubina, Beatrice Stammer, Chris Smith, Annette Eckert, Judith Hackfeld, Gordana Mikovic, Martina Marx, Rita della Carbonara, Alfred und Mausi Buchelt, Bernhard-Jahn-Chor u.a. |
Buch/ Regie/ Kamera | Ulrike Ottinger |
Regieassistenz | Christine Egerland |
Kameraassistenz | Bernd Balaschus |
Produktionsleitung | Herbert Kerz |
Koordination | Hanna Rogge |
Aufnahmeleitung | Horst Helbig |
Kostüme | Gisela Storch, Anne Jud, Hella Utesch |
Maske | Barbara Marthaler, Manfred Schröder |
Bildhauer | Arndt von Diepenbroick |
Maler | Heinz Bert Dreckmann |
Schnitt | Bettina Böhler |
Licht | Alexander Junker |
Ton | Margit Eschenbach |
Ton Assistenz | Bernard Mangiante |
Karsten Visarlus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.01.87
Es ist ein Triumphzug, und es ist ein Totentanz. Superbia, die Hoffart oder Stolz, zieht zu ihrer Hochzeit mit der Welt, die Peitsche in der einen, den Spiegel in der anderen Hand. Sie, die erste der christlich-mittelalterlichen Todsünden und Wurzel aller übrigen, lenkt ein auf Wolken daherkommendes Gefährt, auf dem die Gesellschaft der Mächtigen thront, ein siebenköpfiger Olymp flitterhafter Karnevalsfiguren. Die Welt steckt voller Zeichen und Laster, die die Regisseurin Ulrike Ottinger in einem barocken Augenschmaus und Bilderrätsel darbietet. Ihre so überquellende wie exakt kontrollierte Phantasie verschmilzt den Bilderreichtum der Zeiten und Kulturen zu einer modernen filmischen Allegorie.
Ganz ohne Stütze hat Ulrike Ottinger den Betrachter in diesem hinreißenden Spektakel nicht gelassen. Wer sich in den allegorischen Anspielungen und Bildzitaten verirrt, der kann sich an die eingeschnittenen Dokumentaraufnahmen halten. Militärparaden und Massenaufmärsche durchkreuzen den Zug der Superbia und scheinen ihn in die politische Gegenwart zu verlängern, in eine bedrohliche Wirklichkeit.
Das farbenprächtige Welttheater Ulrike Ottingers eröffnet den vom Kleinen Fernsehspiel produzierten Episodenfilm ‚Sieben Frauen – Sieben Sünden‘ […]
Andreas Kilb, DIE ZEIT, 23.01.1987
In der christlichen lkonographie treten die Sünden, von ‚Superbia‘ bis ‚Voluptas‘, als Frauen auf. ‚Sieben Frauen – Sieben Sünden‘ ist auch eine Abrechnung mit der allegorischen Rolle des weiblichen Körpers. In Ulrike Ottingers Beitrag ‚Superbia‘, der den Reigen eröffnet, wälzt sich der Triumphzug des Bösen an der Kamera vorbei, Gestalten mit Drachen- und Pfauenleibern, Giraffenköpfen, Panzern und Peitschen:
[…] fährt zu ihrer ‚Hochzeit mit der Welt‘. Eine Bluthochzeit: im Parallelschnitt sieht man Polizei und Militär marschieren, Bombenkrachen vermischt sich mit Feuerwerksgeknall, Parademusik mit Buschtrommeln. ‚Superbia‘, Stolz, ist ein männlicher Wahn.
Die letzte Einstellung zeigt eine Azteken-Maske: Quetzalcoatl, den Gott der Rache.