Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse

Deutschland 1984, 35mm, Farbe, 150min

Unser Konzern wird einen Menschen schaffen, den wir nach unseren Vorstellungen formen und nach unserem Belieben führen.
Dorian Gray – jung, reich, schön.
Wir werden ihn aufbauen, verführen, vernichten.
Frau Dr. Mabuse, Drehbuchauszug

Der Filmtitel entspricht in der Komplexität seiner Bedeutung dem Film. Die naheliegendste Assoziation ist die zu Dorian Gray, also die literarische; zum anderen der Narzißmus, das Dandytum, fin de siècle. Im Spiegel der Boulevardpresse – zu Prousts Zeiten bereits als Gesellschaftsnachrichten bekannt – hab‘ ich als ein Beispiel genommen, um über eine neue Form von Machtausübung etwas zu sagen im Film, über die spezifischen Möglichkeiten eines Medienkonzerns.
Ulrike Ottinger im Gespräch mit Sissi Tax, Februar 1984

Fotos zum Film
Besetzung/Stab
Dorian Gray
Don Luis de la Cerda
Infant von Spanien
Veruschka von Lehndorff
Frau Dr. Mabuse
Großinquisitor von Sevilla
Delphine Seyrig
Andamana Tabea Blumenschein
Chinesischer Diener Hollywood
Erzähler
Toyo Tanaka
Assistentin Passat
Schicksalsgöttin
Irm Hermann
Assistentin Golem
Schicksalsgöttin
Magdalena Montezuma
Assistentin Susy
Schicksalsgöttin
Barbara Valentin
Dominikaner
Signore Romano l'Osservatore Conservatore
Luc Alexander
Herr von Welt Hanno Jochimsen
Mr. Charles Chronicle Fritz Ewert
Alexander Baron von Regenbogen Joachim von Ulmann
Mr. Standard Telegraph Horst Benzrath
Sahib Vao-Vao Africasia Victor Dzidzonou
Señor José Fernando Correo Roderick Castillo
Mr. Eastman Yu-Kang Fudji Robbie Darsono
Monsieur Pago-Pago Express Don Grant
Mario Scandalo Ting-I Li
Herr Azet-Tezet Claus-Dietrich Streuber
Dr. Spiegelwelt Jonathan Briel
Sängerinnen beim Presseball Else Nabu
Yasuko Nagata
Marianne Langfeldt
 
Buch
Regie
Kamera
Ausstattung
Ulrike Ottinger
Regieassistenz Eva Ebner
Kameraassistenz Bernd Balaschus
 
Licht Peter Venn, Uwe Schäfer
Bauten Ric Schachtebeck, Horst Helbig
Kostüme Gisela Storch
Schneiderinen Monika Hinz, Adelheid Kähler
Garderobe Ulla Sonntag
Maske Axel Zornow, Siegfried Aé
Bühnenmaler Raniel Esser
 
Ton Margit Eschenbach
Tonassistenz Raoul Grass
Schnitt Eva Schlensag
Schnittassistenz Bettina Böhler
Musik Peer Raben
Patricia Jünger
Opernsänger Karin Hautermann, Anton Rosner,
Maarlene Ricci, Armando Ambo
Video Margit Eschenbach
Titel Peter Bartoschek
   
Herstellungsleitung Renée Gundelach
Produktionsleitung Herbert Kerz,
Helga Stegmann
Redaktion Hans Kwiet (SFB)
 
Mit finanzieller Unterstützung der Filmförderungsanstalt, Berlin
und des Bundesministerium des Inneren, Bonn

Premiere
18. Februar 1984, Internationale Filmfestspiele Berlin, Internationales Forum

Festivals
38th Edinburgh International Film Festival 1984
Festivals in San Francisco, Chicago, Hongkong u.a.

Preise
Spezialpreis der Jury für die künstlerische Gesamtkonzeption, Florenz 1984
Publikumspreis Festival Sceaux 1984

Pressestimmen

Karsten Witte, Frankfurter Rundschau
Der Titel legt die Karten auf den Tisch. Es geht um ein Spiel, in dem eine Figur mit Methode und Medium verstrickt wird. So beginnt keine Geschichte, wie sie das ‚Leben‘ erzählt, das im Film gerne behauptet, ungeschönt in den Alltag zu greifen und Rohstoff auf die Leinwand zu bringen. So beginnt eine Geschichte der Kunstfertigkeit, die sich in jedem Augenblick bewußt ist, daß sie einen ‚Film‘ erzählt. Nicht die Geschichte ist hier der Rohstoff, sondern Ton und Bild. Ottingers Filme sind Ausdruck des Prekären im Maße, wie sie immer auch ihre Kunstfertigkeit betonen. Bei Fritz Lang war Mabuse ein Mann, ein Falschspieler, ein Falschgeldproduzent. Bei Ulrike Ottinger mutiert Mabuse zur Frau und Bewußtseinsproduzentin, die nichts als den Schein in Umlauf bringt und am Ende sich mit der Phantasmagorie der vollkommenen Herrschaft über ihr Medienprodukt Dorian Gray betrügt. Eine Gefangene des eigenen Wahns, ein Opfer technisch angezettelter Gefühle, die nicht länger dauern als es braucht, ein Fernsehbild abzutasten. Die Meisterin wird Opfer ihres Meisterschülers, und der Meisterschüler avanciert zum Meister des Medienkonzerns […]

Frieda Grafe, Süddeutsche Zeitung, 19./20.05.1984
In Ulrike Ottingers mixed media show, in der jedes Bild an irgendwelche anderen erinnert, erscheint vergangene Erzählkultur wie auf einer riesigen Abfallhalde zusammengekarrt. Und man versteht: Es ist das Werk der Massenmedien. Auch hier findet Frau Dr. Mabuse das richtige Wort, sie sagt: erlesen vulgär. Die Boulevardpresse als Zerrspiegel ist der reine Vorwand. Die Form von Kritik, die sich in moralischer Empörung äußert, gehört zu der Art von Kino, von der dieser Film sich absetzt [...] Der Film entwirft eine ganz andere Schreckensvision: daß durch die Massenmedien die ldentifikationskanäle immer enger und restriktiver werden, weil man dem Zuschauer aus Berechnung zu sehr entgegenkommt und alles Andere, ihm Fremde, nur mit Anstrengung Verständliche wegfallen muss. Ein vom Wind gebauschter Vorhang tut sich auf vor einer Opernhandlung, die in realer exotischer Natur spielt. Die Handlung wird dadurch um nichts realer. Wohl aber wird die Natur ein Stück Konserve, ein hybrides Bild, das anhält, über die Natur von Schauspiel nachzudenken.

Ulrich Greiner, DIE ZEIT, 24.02.1984
Der bemerkenswerteste Film, den ich bislang (Filmfestspiele Berlin) sah […] Eine monströse, manchmal anstrengende, immer eigenwillig-phantastische Bilderrevue […] Von Versuchung zu Versuchung, vom Taumel zum Schrecken. Zwischendurch öffnet sich ein Vorhang, und wir blicken auf eine bizarre Felsenküste, wo eine seltsame Oper gespielt wird (Musik Peer Raben). Ein Film anders als andere.

Gertrud Koch, EMMA, April 1984
Einfälle, Phantasien, oft witzige, satirische Spielereien mit kinematographischen und ikonographischen Traditionen und Vorbildern, die durch einen losen Handlungsfaden zu einer Collage zusammengefügt werden: ein Geflecht aus Zitaten und Querverweisen, aus unermüdlich erfinderischen Einfällen, ein Kaleidoskop, das aus denselben Bestandteilen immer wieder andere Muster hervorbringt [...] Das Kino der Ulrike Ottinger ist ein Kino der Attraktionen im genauen Sinn des Wortes:
Attraktionen ziehen an, stoßen ab, verblüffen, machen staunen. Attraktionen haben einen Ausstellungswert, aber kein Aneignungsinteresse. Sie wollen gesehen, aber nicht besessen werden.
So erzählt der Film […] von der kalten Ekstase der Attraktion und der Verletzbarkeit der Gefühle.

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