Das Lebewohl/Les Adieux
Die Rechte repräsentiert sich durch Bilder.
Haider zeigt sich sportlich, braungebrannt, mit nacktem Oberkörper. Die Macht wird erotisch aufgeladen — erotisch für Männer und Frauen, übrigens.
Elfriede Jelinek
Text | Elfriede Jelinek |
Inszenierung und Bühne | Ulrike Ottinger |
Kostüme | Gisela Storch-Pestalozza |
Licht | Konrad Lindenberg |
Dramaturgie | Jutta Ferbers |
mit | Peter Beck Mark Oliver Bögel Philippe Graber Klaus Hecke Thorsten Heidel Christian Kaiser Detlef Lutz Thomas Mehlhorn Rudolf Melichar Uwe Preuß Götz Schulte Kristian Wanzl Axel Werner |
Claus Koch, Süddeutsche Zeitung, 30.3.2001
[…] Die Textmontage "Das Lebewohl - Les Adieux" der furiosen Haider-Hasserin Elfriede Jelinek wurde im Berliner Ensemble von Ulrike Ottinger so ressentimentlos komisch inszeniert, dass man darüber ganz vergisst, wie gut der petit chef die ganze ranzige Reaktion des Landes für sich mobilisieren konnte.[…]
Ekkehart Krippendorff: Alpenglühen, Süddeutsche Zeitung, 10./11.3.2001
Jörg Haider soll gesagt haben: "Wenn Peymann geht, wird Österreich Kulturnation". Peymann ist gegangen - aber mit ihm auch eine der sensibelsten Schriftstellerinnen des Landes, in gewisser Hinsicht die Erbin Thomas Bernhards, der schon lange vorher eine Art "inneres Exil" gepflegt und sein Werk nur dem "Piefke" Claus Peymann anvertraut hatte, ähnlich wie das nun auch Elfriede Jelinek tut.
„Das Lebewohl (Les Adieux)“, sich ironisch auf Haiders Rückzug nach Kärnten beziehend, wird seit der Uraufführung im Dezember vergangenen Jahres am Berliner Ensemble gespielt, und ihr nächstes Stück „Macht nichts“ ist ebenfalls hier in Vorbereitung.
Jelinek sieht sich, nachdem sie ihre Stimme ebenso vergeblich wie andere Intellektuelle gegen den auf der Woge des Erfolgs reitenden FPÖ-Führer erhoben hat, veranlasst, ihre Bühnenarbeiten in Berlin vorzustellen und nicht dort, wo sie eigentlich hingehören, nämlich nach Klagenfurt oder nach Wien. Möglicherweise bedarf es einer psychisch so beschädigten und nur durch die Sprache und das Schreiben geretteten Biografie, wie sie im Programmbuch von „Das Lebewohl“ dokumentiert wird, um dieses „öffentliche Trivial- und Lügenmaterial“ (Ivan Nagel) zu entlarven. Und zu zeigen, wie Haider damit die dumpfen Ressentiments österreichischer Seelen bedient.
Für die Sichtbarmachung aber bedarf es der Bühne - und da hat Jelinek in der Film- und Theaterregisseurin Ulrike Ottinger eine kongeniale Übersetzerin gefunden. Die geklonte Sprache verdinglicht sie in geklonten Figuren, alle nacheinander, gegeneinander, miteinander denselben Wortmüll so suggestiv wie albern vortragend. Kitschfarbig gehts da zu unter den schwarzblauen Fahnen der ÖVP-FPÖ-Koalition; „Fremden Verkehr“ heißt die Überschrift, unter der gepaddelt und gebergsteigt, Opernball getanzt und Ski und Skateboard gefahren wird – eine Choreografie der Banalitäten und Plattitüden.
In den Jahren nach 1933 wurde Österreich für viele deutsche Künstler zu ihrer Kulturnation. In Salzburg und Wien konnten jene noch auftreten, die Herr H. hatte loswerden wollen; der hatte bekanntlich für sein politisches Projekt das größere Deutschland seiner kleinen Alpenrepublik vorgezogen. Der neue österreichische Herr H. hat derartige Ambitionen bisher nicht erkennen lassen. Das schleichende Haider-Gift aber kennt keine Grenzkontrollen. Dass es in Deutschland keine Jelinek gibt, die, in der Tradition eines anderen großen Wieners, Karl Kraus, die verlogene Sprache populistischer Politik fast schon durch bloßes Zitieren demaskiert, heißt ja nicht, dass das Rezept H. nicht längst auch bei uns bedient wird. Mit „Das Lebewohl“ hat Peymann seinen bisher allzu vollmundigen Anspruch, politisches Theater im Berliner Regierungsviertel zu machen, beklemmend eingelöst.
Michael Bienert, Stuttgarter Zeitung, 11.12.2000
Souverän hält Ulrike Ottinger die dreizehn Männer, auf die sie den Haidermonolog verteilt, neunzig Minuten lang in fließender Bewegung. Die Protagonisten gleichen sich mit weißgeschminkten Gesichtern und Perücken fast aufs Haar. Dass sich ein Einzelner aus der Menge der Sprecher heraushebt, wird sorgfälltig vermieden. Denn als Charakter mit unverwechselbaren Ecken und Kanten ist Haider, der Politiker, eben nicht zu begreifen. Er ist ein Spiegelbild der vielen, die sich mit ihn identifizieren. […]
Ronald Pohl, Der Standard, 11.12.2000
[…] Eine verzweifelt künstliche Liebesbrieflesung als Staatsnotstandsakt. aber man kann den Berlinern zu ihrer gastfreundlichen Anteilnahme nur gratulieren. Es hat ihnen, vorneweg, recht gut gefallen; Ulrike Ottingers Inszenierung muss ihnen aber auch als besonders verzwickte, augenzwinkernde Fremdenverkehrs-Werbekampagne erschienen sein. Sag Ja zu "A": Leide aber auch mit den von den Göttern mit Haider auf ewig gestraften.[…]